Die Hochschulen (in den USA) stehen unter Druck. Schon vor Corona waren immer mehr potenzielle Studierende kaum mehr bereit, sich für das Studium zu verschulden, um einen albernen College-Abschluss zu erwerben. Die Chancen, damit einen gut dotierten Job an Land zu ziehen, um damit die Schulden abzubezahlen, wurden Jahr für Jahr geringer. Nun, mit dem Lockdown und den vielfältigen Erfahrungen des Online-Unterrichts, stellt sich die Frage umso dringender.
Braucht es wirklich 4-jährige Aufenthalte auf einem Campus, nur um einen Hochschul-Abschluss zu erwerben? Liessen sich nicht weite Anteile der Lehre auch gut online absolvieren? Zur wissenschaftlichen Beantwortung der Frage könnten Daten helfen: Was klappt in der derzeitigen Situation gut, nun, da die Hochschulen gezwungen sind online zu arbeiten? Oder wann wäre eine Face-2-Face-Erfahrung in Zukunft zielführender? Könnte man das gesamte Universitätsleben und Studium nicht weit dezentraler und kreativer lösen, so dass alle Beteiligten mehr Freiheitsgewinne verzeichnen könnten und sich qualitativ auch die Selbstlernkompetenz erhöhen würde?!
Rhetorische Fragen, denn natürlich liesse sich das Hochschul-Modell ganz anders organisieren. Dass dies trotz aller langjährigen Erfahrungen mit attraktiven Online-Kursen weiterhin nicht geschieht, liegt daran, dass auch Hochschulen ein Businessmodell verfolgen. Nicht zwangsläufig immer ein gewinnorientiertes, aber ein selbsterhaltendes Interesse, das dem Status der beteiligten Personen zur Ehre gereicht.
In Corona-Zeiten sind aber alle gezwungen, oftmals unvorbereitet den Online-Betrieb zu absolvieren. Zwar vorrangig als Online-Abbild des vorherigen Präsenz-Modells – und deshalb super anstrengend; natürlich ist eine 1:1-Übersetzung eines curricularen Präsenzbetriebs in die Videokonferenzen hinein kein attraktives Modell. Aber nach den nächsten Semesterferien und (hoffentlich) einer weiteren Online-Runde, werden vielleicht auch kreativere, kollaborativere Aspekte mit einbezogen in die “Unterrichtung” einer zusehends digitaleren Generation. Wenn dann noch die Akkreditierungen bildungspolitisch nachgezogen würden und sich anpassten an die moderne Zeit, wäre allen geholfen. Das Zeitalter der “Abschlüsse” hat sich eh erledigt im 21. Jahrhundert …
Und so konstatieren die Autoren:
Das aktuelle Experiment könnte zeigen, dass sich die vierjährige F2F-Hochschulausbildung nicht länger auf ihren Lorbeeren ausruhen kann. Eine Vielzahl von Faktoren – vor allem die ständig steigenden Kosten der Studiengebühren, die für die meisten Familien bereits unerreichbar sind – implizieren, dass der postsekundäre Bildungsmarkt reif für Disruption ist. Die Coronavirus-Krise könnte genau diese Disruption sein.
Den Präsenz-Hochschulen der Vor-Corona-Zeit wird niemand nachtrauern. Das war mal schön, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Erst recht nicht in Zeiten von Arbeit 4.0, die jetzt erst recht an Fahrt gewinnen wird.
Artikel am 29. April 2020 erschienen auf Piqd als Hinweis auf den HBR-Artikel What the Shift to Virtual Learning Could Mean for the Future of Higher Ed