Claus Leggewie meldet sich mit einem tagespolitischen Einwurf zur Zukunft der Arbeit zu Wort, wie man es sich nur wünschen kann. Nüchtern blickt er aus Sicht der soziologischen Wissenschaft auf die aktuellen Debatten, die in Deutschland eine 42-Stunden-Woche fordern ; derweil andere Länder und fortschrittliche Unternehmen längst die 3-4-Tages-Arbeitswoche einüben, was deutlich zeitgemäßer erscheint.
Schon länger ist empirisch plausibel, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit, etwa in Gestalt einer regulären Vier-Tage-Arbeitswoche, eine erhebliche Verringerung des ökologischen Fußabdrucks mit sich bringt. Diese arbeitspolitische Maßnahme, die sich unter der Hand in vielen reichen Ländern schon als gängige Praxis eingeschlichen hat, stellt einen weit größeren Hebel der Transformation zur Nachhaltigkeit, einen weit größeren Beitrag zum Klimaschutz dar als viele kleinteilige Verhaltensänderungen beim Konsum und im Alltagsleben (ohne dass man auf diese verzichten sollte.) Das liegt vor allem daran, dass eine flächendeckende Verkürzung der Wochen- und Monats-Arbeitszeit deutlich zur überfälligen Verkehrswende beitrüge, indem sie die Pendler-Mobilität der Fahrten zum und vom Arbeitsplatz einschränkt.
Dieser umweltpolitische “Gewinn” schlägt allerdings nur durch, wenn man sich nicht dem vorherrschenden Diktat der mobilen Freizeitaktivitäten unterwirft. Und stattdessen Genugtuung in vielfältigen, abwechslungsreichen Tätigkeitsfeldern sucht, die “bedingungslos” ausgeübt werden können. Dazu bräuchte es einer Freiheit, die sich weder “auf der Arbeit”, noch “in der Freizeit” an Wettbewerb und Auslese orientiert, sondern ein gesellschaftlich anerkanntes Sein im Hier und Jetzt ermögliche.
Insofern müsste Einkommen und Arbeit entkoppelt und ein Recht auf Muße perspektivisch in die Verfassung aufgenommen werden. Das bedingungslose Grundeinkommen erfährt in diesem Kontext eine emanzipatorische Kraft und ermöglicht eine Utopie, die radikalökologisch geboten ist angesichts der Krisen unserer Zeit. Wobei die Krisen auch eine Transition hin zu einem neuen sozialpolitischen Narrativ ermöglichen. Was aber manche alten Fundamentalist*innen erst verstehen lernen müssen …
Artikel am 3. September 2022 erschienen auf piqd als Hinweis auf den IPG-Artikel Kuchen für alle!