Auszüge aus dem Juni-NeWoS
Letzthin besuchte ich das Wissensforum Region gestalten – Leben, Arbeiten, Mitgestalten in ländlichen Räumen.
Im Rahmen des Tagungsprogramms wurden diverse Studien kurz vorgestellt, die sich v.a. mit der Vergleichbarkeit der verschiedenen ländlichen Regionen in Deutschland befassten. Eine dieser Studien triggerte mich an, weil man dort als einen Indikator zur Bemessung der digitalen Kompetenz einer Region die IT-Kompetenz heranzog. Die These lautete, je mehr Erwerbstätige der Region bereits im IT-Sektor arbeiten, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer grundsätzlich offeneren Haltung gegenüber der digitalen Transformation.
Hm, schwierig, dachte ich. Das muss nicht zwangsläufig so sein bzw. sind manche der alten Generation eher hemmend für eine wirkliche Transformation, sind sie doch anders sozialisiert worden. Blicken wir einmal auf die verschiedenen Generationen des digitalen Zeitalters.
Die erste IT-Generation hat seit den 1970er Jahren hardwaretechnisch fundamentale, elementare Grundlagen des Informationszeitalters gelegt.
SAP wurde 1972 gegründet, Microsoft (1975) und Apple (1976) ebenso – man experimentierte mit den vielfältigen Möglichkeiten der neuen Basistechnologie. Und suchte nach Geschäftsmodellen. Die einen waren schnell etabliert im Businesskontext, die anderen eroberten nach-und-nach die Consumerwelt.
IBM, die für die erste Generation der in der Grafik als “Mainframes Big companies” bezeichneten Großrechner verantwortlich waren, lasse ich hier außen vor, weil sie schon schnell überholt wurden. Dazu zitiere ich eine Passage aus Wikipedia, weil sie rückblickend den unglaublichen Siegeszug der Digitaltechnologie aufzeigen. (Und ich empfehle, diese Passage auf dem Smartphone zu lesen 😉
Okay, die Personal Computer waren also jetzt etabliert. Nahezu jede:r hatte einen auf dem Schreibtisch stehen. Teilweise bis heute. Programmierer:innen schwören bis heute darauf, dass man “am Rechner” am besten entwickeln könne. Drei Bildschirme in der Halfpipe vor sich aufgereiht, galten sehr schnell als persönliches Statussymbol einer allmächtigen IT-Kompetenz. Der Mensch im Schaltzentrum der neuen digitalen Macht. Noch heute sehen wir häufig solche Fotos des modernen Arbeitsplatzes auf Instagram o.ä.
Womit wir beim Web 2.0 angelangt wären, also den Möglichkeiten des Mitmach-Internets, das seit ca. 2005 aufkam. Viele der “digitalen Avantgarde”, wie sich die Generation rund um Sascha Lobo et. al. gerne bezeichnet, sind in dieser Zeit entscheidend digital sozialisiert worden. Sie nutzten die Möglichkeiten einer vernetzten “Loudness” für ihre eigenen Karrieren. Das Potenzial der Smartphones (das iPhone schlug 2007 am Markt auf) wusste man geschickt zu nutzen – und war damit in Ästhetik wie Habitus der ersten IT-Generation um Längen voraus.
Man nutzte das Web als subversives Instrument wie Medium, entwickelte eine neue Kultur, die Felix Stalder dann 2016 prägnant mit dem Begriff der “Kultur der Digitalität” gut auf den Punkt brachte. Zwar zogen viele der vorab IT-sozialisierten Menschen nur sehr widerwillig in diese schnatternde, sich immer weiter ausdifferenzierende, kommunikative Kultur, aber junge Menschen konnten sich hier schnell und gut einfädeln. Zumal die kommerziellen digitalen Plattformen sich immer besser an die gewünschte User Experience anzupassen wussten. Das gefiel wiederum den digitalen Nerds der 2. Welle nicht, wollten sie doch mit ihrer (sicherlich sympathischen) antikapitalistischen Widerstandskultur dem Kapital das echte Leben entgegensetzen.
Hier kommt es nun zum doppelten Kulturschock:
- Der Kapitalismus verleibt sich die neuen Potenziale des Web 2.0 gewinnbringend ein. Das ist das Erfolgsrezept des kapitalistischen Systems: Es vermag, sich aller Trends anzunehmen und sie für sich zu nutzen. Insofern boten die Plattformen eine willkommene Möglichkeit für die Massen, teilzuhaben an der digitalen Welt, ohne selbst programmieren zu müssen. Und die Generationen, die gleich so mobil sozialisiert wurden, finden diese Entwicklung auch größtenteils gut.
- Die alte PC-dominierte Welt, die mit Blick auf die antikapitalistischen Potenziale noch an der Seite der 2. Nerd-Kultur stand/steht, entwickelt derweil weiter munter Alternativsysteme hinter ihren 3 Bildschirmen – auf dem PC. Diese “Programer’s Art” passt jedoch immer weniger mit der User Experience der mobilen Generationen zusammen – die Welten trennen sich. Es ist sozusagen ein kultureller “Fork” entstanden.
Damit sind wir vermutlich bei einem gesellschaftlichen Kernproblem angelangt, warum in Deutschland eine fundamentale Digitalkultur kaum entstehen kann, solange diese erste Generation als Fachexpert:innen (wobei man hier fast auf die weibliche Persona verzichten könnte) vertraut.
Um es bis zu diesem Punkt zusammenzufassen:
- Wir haben es mit einer marktwirtschaftlich extrem relevanten Mainstream-Kultur ab der 3. Digital-Generation zu tun, die die Potenziale der sich immer weiter ausdifferenzierenden, smarten, digitalen Struktur wünscht, weil sie das Leben vordergründig erleichtert.
- Und auf der anderen Seite sind wir mit einer während der 1. IT-Generation sozialisierten Menschengruppe konfrontiert, die ihre PC-Logik (also: große Bildschirme, am Platz sitzend, statisches Kästchendenken) pflegt und der neuen, mobilen, smarten Digitalwelt hinterher zu entwickeln versucht. Das mündet dann beispielsweise in der Statik von unendlichen Drupal-Seiten, die eine immer komplexer werdende Welt in immer neue Programm-Differenzierungen manuell gießt. Man möge sich nur einmal auf den (gut gemeinten) EU-Seiten verirren …
Und um es gleich vorweg zunehmen: Die 3. Generation ist nicht zwangsläufig digital kompetenter als die erste, wohl aber offener gegenüber den aktuellen Potenzialen. Sofern man sie dabei unterstützt, diese Potenziale konstruktiv für sich zu nutzen. Statt immer nur Angst zu verbreiten.
Und dann folgen noch einige Ausführungen und Überlegungen, Tipps und Hinweise. Denn die Geschichte dreht sich weiter. Lest es am besten dort selbst 👇🏼👇🏼

Der Zugang zur digitalen Welt
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