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Neue Ordnungen braucht das Land: Mehr Digitalisierung wagen

Viele Menschen in Deutschland meinen oder hoffen, die Corona-Phase hätte dem digitalen Wandel in diesem Lande einen ungeheuerlichen Schub ermöglicht. Aber Digitalisierung ist weit mehr als ein bisschen Homeoffice, Remote-Arbeit via Videokonferenz, E-Learning oder E-Commerce. Vielmehr bedeutet Digitalisierung eine neue soziopolitische wie sozioökonomische Ordnungsstruktur, die selbstverständlich auch eine soziokulturelle Veränderung unseres Zusammenlebens ermöglicht und auch voraussetzt. Und hier stößt diese Republik an allen Ecken und Enden an ihre Grenzen – dies hat Corona unmissverständlich offengelegt. 

In den Gesundheitsämtern, den Schulen und im Einzelhandel wurde die bislang versäumte, nachhaltige Digitalisierung offensichtlich. Das hat verschiedene Gründe – der Autor benennt einige systemische Problemfelder, an die auch wir immer wieder stoßen.

Zum Teil lag das am mangelnden Veränderungswillen, manchmal sogar an einer Verweigerungshaltung, zum Teil an fehlenden Freiheitsgraden in den Institutionen und Strukturen.

Man müsste die grundlegende Mentalität in diesem Land verändern – nur wie, sitzen deren Werte und Normen traditionell sehr tief. Und letztlich profitieren die alten Stakeholder weiterhin von ihrer Resilienz.

Die Industrialisierung kam Deutschland von der Mentalität her entgegen, die Digitalisierung dagegen läuft Deutschland davon.

 Aber die globale Ökonomie verändert sich aktuell grundlegend.

Die technische Möglichkeit, heute Daten massenhaft zu speichern und über Algorithmen und künstliche Intelligenz smart und in Echtzeit überall auf der Welt zu verknüpfen, macht Daten zu einer Ressource und zu einem spezifischen, d.h. nicht durch Kapital oder Arbeit substituierbaren Produktionsfaktor. Künstliche Intelligenz repliziert zudem spezialisiertes Wissen zu geringen Grenzkosten, macht es überall verfügbar und reduziert somit Spezialisierungsvorteile und komparative Kostenvorteile. Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Daten, Kapital und Arbeit in einer makroökonomischen Produktionsfunktion. (…) Als Folge werden die traditionellen industriellen Wertschöpfungsketten und vertikalen Branchenstrukturen in hybride Ökosysteme transformiert. Das aber erfordert die Fähigkeit zur Kooperation und Agilität.

Die inkrementelle Verbesserungslogik der hiesigen mittelständischen Unternehmen, die (top-down geführt) entlang der arbeitsteiligen Globalisierung organisiert wurde, kommt in die Defensive. Wenn Daten als Ressourcen über Plattformen gehandelt werden, lösen sich vertikale arbeitsteilige Wertschöpfungsketten auf.

Stattdessen bilden sich branchenübergreifende Cross-Industry-Ökosysteme und Wertschöpfungsnetzwerke, die ein höheres Maß an Kooperation, Kreativität und Agilität erfordern. Gleiches gilt für Innovationsprozesse, die weniger inkrementell als vielmehr disruptiv, experimentell und interdisziplinär verlaufen. Viele etablierte Unternehmen haben genau hier, bei den kulturellen Anpassungen, erhebliche Probleme.

Und nicht nur die Unternehmen haben Probleme – auch das Bildungssystem muss entsprechend angepasst werden. Wir benötigen begleitende Bildungsressourcen und -infrastrukturen, die ein wirkliches lebenslanges Lernen ermöglichen und Menschen für wechselnde Tätigkeitsprofile und Lebensmodelle bereitstehen. (Diese Passage im Artikel fasst mein Buch “Berufen statt zertifiziert” ganz gut zusammen.)

Als Handlungsfelder für die Digitalisierung empfiehlt der Autor:

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur 
  • Modernes Datenrecht etablieren
  • Künstliche Intelligenz anwendungsfähig machen
  • Skalierungsbedingungen für europäische Geschäftsmodelle verbessern
  • Standortbedingungen für Start-ups verbessern
  • Öffentliche Verwaltung und staatliche Institutionen reformieren
  • Bildungs- und Ausbildungssysteme reformieren

Artikel am 5. Juni 2021 erschienen auf piqd als Hinweis auf den Makronom-Artikel Ökonomik, Ordnung und Kultur der Digitalisierung

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