In Zusammenarbeit mit Coursera, der größten Online-Kursplattform in westlichen Gefilden, arbeitet das WEF heraus, dass die Lernaktivitäten der (intrinsisch motivierten) Lernenden nicht richtig identisch sind mit den Bedarfen der Unternehmen.
Einzelne Lernende auf Coursera haben sich hauptsächlich auf den Aufbau technischer Fähigkeiten wie Programmierung, Ressourcenmanagement und Betrieb, Netzwerke und Cybersicherheit sowie Design und Benutzererfahrung (siehe Abbildung 4.1).
Diese Entscheidungen stimmen manchmal mit den von Unternehmen gesuchten Fähigkeiten überein, wie aus den Antworten auf die Umfrage zur Zukunft der Arbeitsplätze hervorgeht – und viele dieser Fähigkeiten sind grundlegend für das Erreichen höherer Kompetenzen in gefragten Bereichen wie KI und Big Data sowie Führung und sozialer Einfluss. Ebenso legen einzelne Lernende den Schwerpunkt auf Lesen, Schreiben und Mathematik, die zwar selten explizit im Fokus von Unternehmen stehen, aber dennoch wichtige Grundfertigkeiten für jede Karriere sind. Dennoch gibt es nach wie vor Diskrepanzen, und Arbeitssuchende können Online-Lernplattformen effektiver nutzen, um Qualifikationslücken zu schließen und den Anforderungen der Arbeitgeber gerecht zu werden, insbesondere da traditionelle Qualifikationen an Bedeutung verlieren (sic!).
In der Vergangenheit haben Personen auf der Coursera-Plattform vorrangig technische oder “harte” Fähigkeiten entwickelt, die mit lukrativen Karrieren in der Programmierung und Datenanalyse verbunden sind. Zunehmend jedoch verändern aufkommende Technologien wie die generative KI die Anforderungen an die Arbeitskräfte, und die Arbeitgeber legen mehr Wert auf “weiche” Fähigkeiten (siehe Abbildung 4.8).
Diese Fähigkeiten ermöglichen es den Unternehmen, auf Veränderungen zu reagieren, und sind resistent gegen Automatisierung. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sich die Angebotsseite des Marktes ausgleicht: Sozio-emotionale Fähigkeiten haben ihren Anteil an den Lernstunden von 2017 bis 2023 stetig erhöht, mit Ausnahme eines kurzen Aufschwungs in Richtung technischer Fähigkeiten während der globalen Schließungen im Jahr 2020.
WEF: The Future of Jobs Report 2023
Soft Skills – quo vadis?
Nun schaut das WEF klassischer Weise immer aus Sicht von Unternehmen und deren Fachkräfte-Bedarfe auf die Entwicklungen, aber tatsächlich treffen sie damit einen Punkt, sofern man eine Anstellung auch in der nächsten Zukunft sucht bzw. sich entsprechend der aktuellen Bedarfe weiter qualifizieren möchte.
Die große Frage ist also, wie man sich die notwendigen Soft Skills drauf schafft bzw. in sich die Motivation findet, sich entsprechend charakterlich weiter zu entwickeln. Schauen wir nämlich auf die Top 10 der im Report deklarierten Skills, die es demnach in den nächsten 5 Jahren braucht:
Das liest sich recht schlüssig, jedoch sind aus meiner Perspektive vor allem zwei Faktoren aus den Top 10 Grundvoraussetzungen, um überhaupt ins Tun zu gelangen:
Neugierde und lebenslanges Lernen
Motivation und Selbstwahrnehmung
Sind diese beiden Persönlichkeitsmerkmale nicht ausreichend ausgeprägt, wird der Schritt zu den übrigen Skills kaum zu bewältigen sein.
Der Women in Tech MOOC
Daran arbeiten wir derzeit unter anderem mit unserem Women in Tech MOOC. Wir fächern darin entlang von zehn Frauen ein Kaleidoskop an unterschiedlichen Lebens-/Lernwegen auf, die alle irgendwie im weitesten Sinne im Tech-Sektor gelandet sind. Was auch immer Tech-Sektor heutzutage bedeutet. Dazu halte ich am Mittwoch einen ganz kurzen Lightning Talk, an dem man live teilnehmen kann.
Arbeiten im Tech-Sektor
Je länger ich über den Tech-Sektor nachdenke und die vielfältigen Bedarfe, um die große digital-grüne Transformation aktiv mitzugestalten, desto mehr drängt sich mir auf, dass eigentlich alle Branchen sich zu Tech-Branchen entwickeln. Es wird zukünftig keinen Bereich mehr jenseits von Tech geben. Oder, wie es der Bundesarbeitsminister letzthin formulierte:
Ab 2035 wird es keinen Job mehr geben, der nichts mit KI zu tun hat
Hubertus Heil
Nun könnte dies einigen Sorgen bereiten, dass sie nicht Schritt halten können mit den Entwicklungen. Aber diese scheinen “an sich” unbegründet zu sein. Denn entgegen des lange überheblich geäußerten Verdachts, die Online-Kurse verstärkten den Matthäus-Effekt …
Der Matthäus-Effekt ist eine These der Soziologie über Erfolge. Wo dieser Effekt auftritt, entstehen aktuelle Erfolge mehr durch frühere Erfolge und weniger durch gegenwärtige Leistungen.
Wikipedia
… übersetzt auf “die Bildung”: Je höher die bereits vorhandene Qualifikation, desto erfolgreicher können sich Menschen in der Online-Lernwelt bewegen. Dieses Mantra, das jahrelang als Common Sense in der Bildungsszene galt, wird von den Zahlen von Coursera nicht bestätigt. Auch Menschen ohne höheren formalen Bildungsabschluss können sich mit einem vergleichbaren Zeitinvestment auf der Plattform weiterbilden.
Insofern können hier alle Mut schöpfen. Die Plattformen unterstützen offenbar alle Interessierten recht gut. Und mit den KI-Chatbots wird dies immer besser gelingen. Man muss halt “nur” motiviert genug sein, sich auf den Weg zu machen. In welche Richtung auch immer. Dringende Bedarfe haben wir in den nächsten Jahren genug.