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Der Wandel im Tennis: Von menschlichen Linienrichter:innen zu KI-Systemen

Was bedeutet digitale Transformation in der Praxis?

EINSCHLAGEN

Die Tennis-Rasensaison ist gestartet. Ziehen wir die weiße Kleidung an, rücken den Hut zurecht und legen los. Erst langsam wieder in Schwung kommend, denken wir hin und her. Was geschieht hier eigentlich? 

Der Stuhlschiedsrichter klettert den Stuhl hinauf. Gut, wenigstens noch ein Mensch aus Fleisch-und-Blut an Bord. Wie lange eigentlich noch? Wozu benötigen wir ihn wirklich? Zum Zählen? Das kann die Maschine doch alles gut abbilden. Ach ja, um die Emotionen zu beruhigen. Die sogenannten Soft Skills – aktuell hoch im Kurs. Ja, wenn es um einen Wettkampf geht, kann dies schon hilfreich sein, solch eine beruhigende Kraft am Rande zu wissen. Okay, fein. 

Wie schaut es aber aus mit den Linienrichter:innen? Die sind bestimmt schon alle verschwunden? Gerade auf Rasen fliegen die Bälle doch so schnell. Das maschinelle Auge ist deutlich aufmerksamer und genauer als das menschliche. Auch wenn es immer lustig war, wie sich die Linienrichter:innen nach vorne beugten, dann mit dem Arm in die eine oder andere Richtung wiesen und “Out” oder “Fault” riefen. Acht Stück von ihnen waren pro Spiel mindestens auf dem Platz. 

Jetzt ist entschieden, dass ab 2025 auf der ATP-Männertour ausschließlich das sogenannte “Electronic Line Calling Live” zum Einsatz kommt. Abschließende Tests auf Sandplatz sind fortgeschritten, ein KI-basiertes System zumindest auf Profi-Ebene zukünftig einzusetzen. Nicht ganz günstig in der Anschaffung, lassen sich damit aber vielseitigere Statistiken erstellen über die Laufaktivitäten und Ballbewegungen auf dem Platz. Und darin steckt eventuell weiteres Vermarktungspotenzial, so die Hoffnung des internationalen Tennisverbandes.

Und wie schnell alles ging. Mit Corona erfolgte hier der Anfang vom Ende. Erst die Australian Open, dann die US Open stiegen 2021 auf die elektronische Überwachung um, die die Linienrichter:innen ersetzten. Und Wimbledon folgte … oh, erst 2025, wenn sie müssen? Man tut sich schwer, hält die Tradition oben, aber wird sich wohl fügen müssen. Zumindest bei den Männern. Wie es dann bei den Damen ausschaut, wird sich zeigen. Eher unwahrscheinlich, dass sie dann zu deren Spielen wieder die LinienrichterInnen anrücken lassen.

Übrigens: Wusstet Ihr, dass Linienrichter:in der Einstieg war in ein berufliches, professionelles Richteramt auf dem Platz? Ja, richtig, auch Profi-Linienrichter:innen erziel(t)en ein Einkommen.

Professionelle Linienrichter, welche beispielsweise bei großen Turnieren wie Wimbledon, den US Open oder den Australian Open eingesetzt werden, können jährlich bis zu 25.000,00 Euro verdienen. Dies hängt natürlich immer mit der Anzahl der Einsätze zusammen. Bei den Stuhlschiedsrichtern beziehungsweise Headschiedsrichtern sieht es jedoch schon ganz anders aus. Professionelle Oberschiedsrichter, welche Matches bei den genannten Top-Turnieren leiten, verdienen jährlich bis zu 75.000,00 Euro. Dies gilt jedoch nur für angesagte Top-Schiedsrichter, welche beispielsweise für die ITF (International Tennis Federation) tätig sind. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Profi-Schiedsrichtern liegt bei einem Betrag von circa 40.000,00 Euro jährlich.

Teamsportbedarf

Okay, kein Vergleich also zu den Profi-TennisspielerInnen, aber immerhin. Die übliche Tagesgage für eine Schiedsrichterleistung bei den US Open beträgt 450 Dollar, auch wenn es sich um ein Endspiel und den Wettkampf um Millionen Dollar Gewinnhöhe bei den Spieler:innen handelt.

Interessant, denke ich vor mich hin. Was ist nun mit den Jobs, die durch die KI nunmehr ersetzt werden? Es gibt durchaus Stimmen, die dem Tennissport zukünftige Nachwuchsprobleme vorhersagen, da das Linienrichteramt der Einstieg war und sie über die Beobachtung von der Seitenlinie aus erste Erfahrungen für das spätere professionelle Hauptschiedsamt sammelten. Wenn aber keine Linienrichter:innen mehr als solche üben können, was dann?

Nun, es wird so kommen wie auch in anderen Bereichen: Die Menschen schauen aus Interesse Tennis, versuchen informell zu lernen, wie Stuhl-Schiedsrichter:innen reagieren und ggf. Empathie-Workshops besuchen. Sie werden selbst Erfahrungen sammeln im Amateur-Bereich bis, ja, bis vielleicht auch bald die Stuhlschiedsrichter:innen ersetzt werden durch “die Maschine”. Dann braucht es als Ersatz nur noch einzelne Assistent:innen am Spielfeldrand, die im Bedarfsfall professionell einschreiten können. 

Letztlich erfolgt somit eine weitere Professionalisierungsrunde: Mehr Genauigkeit, bessere Statistiken, professionellere Betreuung sozial-emotional gespannter Situationen, ein schnelleres Spiel. Dafür plädiert man auch in diesen Tennisnachrichten zur Einführung des KI-Systems bei den Australian Open 2021.

Bericht zur Einführung des Electronic Line Calling 2021
Deutsche Untertitel im Video aktivieren ist einfach

Ja, aber die armen Sport-Richter:innen, was machen diese denn nun? Sie könnten zum Beispiel rüber wechseln zur neuen Trendsportart Pickleball. Dort existieren in Amiland bereits klare Zertifizierungsroutinen. Und das Spiel beginnt von Neuem. So ist das – in diesem Fall zumindest … 😉

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