Gestern war ich am Nachmittag beim Zukunftstag Mittelstand des BVMW, um mir einen Eindruck zu verschaffen, wie die Stimmung so ist in diesem Land. Das Motto des Zukunftstages lautete “Mut und Machen” – und ich muss sagen: Dieses Profumo spürte man dort.
Vier Punkte von der schnell getakteten Transformation Stage möchte ich hier kurz für mich festhalten, die mir besonders interessant erschienen:
1. Mehr Vernetzung wagen
Auf dem Podium wurde angemahnt, dass in Deutschland eine verstärkte Gründungswelle notwendig sei, um disruptive Innovationen zu schaffen. Leider ist die Zahl der Unternehmensgründungen seit Jahren rückläufig. Dabei würden diese StartUps dringend gebraucht, um in Kooperation mit etablierten Unternehmen für effizientere und digitalere Prozesse zu sorgen.
StartUps bedeutet dabei nicht, dass nur junge Menschen mit wenig Berufserfahrung und Dollarzeichen in den Augen etwas gründen, sondern je älter die GründerInnen sind, desto erfolgreicher sind sie, sagt die Statistik. Hier wurde mehr Mut und Unterstützung gefordert.
Da Deutschland diese Dynamik aus sich selbst heraus kaum aufbringen könne, müssten “wir” auch ein Einwanderungsland für ganze StartUps werden, sie anwerben, ihnen eine geeignete Infrastruktur bieten und natürlich mit weniger Bürokratie begegnen. Sonst wandern diese StartUps einfach in andere Länder mit besseren Bedingungen ab.
2. Berufsanerkennung reloaded
Zuwanderung und Bürokratieabbau war auch das Thema der Keynote von Hubertus Heil. Im Ministerium werde derzeit daran gearbeitet, auch die Berufsanerkennungsverfahren zu entbürokratisieren. (Unser Thema auch beim Projekt FITskilling.)
Es gäbe in Deutschland mehr als 700 Dienststellen bei Bund, Ländern und Kammern, die sich um die Berufsanerkennung von Menschen aus anderen Staaten kümmern. Diese müssten abgebaut werden, weil sie die Zugangshürden zu hoch setzten im Sinne einer Arroganz, dass nur die hiesige Ausbildung einen adäquaten Wert habe – auch als “Ausdruck einer hochnäsigen Bildungsbürokratie”.
3. Integration älterer Personen
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist die flexible Ansprache älterer Menschen, die nicht mehr als weisungsgebundene Vollzeitangestellte arbeiten möchten, aber durchaus Interesse und Bereitschaft haben, sich mit ihrem Fachwissen temporär und selbständig in Unternehmen einzubringen.
Hier brauchen wir viel mehr Flexibilität in den Unternehmen und in den staatlichen Strukturen. Aber ich habe den Eindruck, dass auch hier die Diskussion insgesamt schon ein gutes Stück vorangekommen ist.
4. Weniger Starrsinn einfordern
Auf dem Podium wurde von einem selbst geschaffenen Ausbildungsberuf in der Produktion berichtet, um nachhaltige Retrofits zu ermöglichen. Dort hat man eine einjährige Facharbeiterausbildung auf digitaler Basis für ein begleitendes “training on the job” geschaffen, für das man 2h pro Tag zur Verfügung gestellt bekommt – mit Coaching durch die Werksleitung.
Das läuft sehr gut, wird aber von der IHK nicht anerkannt, weil es nur eine einjährige Ausbildung ist und Englisch und Geschichte als begleitende Fächer nicht angeboten werden. Hier wünscht man sich ein Eingreifen der Politik, denn die Menschen verdienen Anerkennung.
Fazit
Alles in allem konnte man viel Aufbruchstimmung und Motivation von dem Zukunftstag mit nach Hause nehmen. Auch eine, die bereit ist, wirklich dicke, etablierte Bretter anzugehen.
Rückblickend betrachtet, würde ich sagen: Es bewegt sich im Mindset vieles in eine gute Richtung, ohne hier tages- oder gar parteipolitisch agieren zu wollen. Die Innovationen auch in der Ausbildungspraxis brechen sich langsam Bahn. Und das wird allerhöchste Eisenbahn …
Für alle, die es nachschauen wollen, hier die komplette Aufzeichnung des Zukunftstages. Und das Programm findet man hier.
