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Anjas ueberflow

Sind benotete Prüfungen zukunftsgerecht?

Der große Vorteil der aktuellen Lehr-Lern-Diskussion ist, dass viele der Erfahrungen, die wir (alten) Digital Natives über die Jahrzehnte im (zunehmend vernetzten) Distance Learning machten, nunmehr zum Common Sense avancieren und immer breiter ernsthaft diskutiert werden. Es ist so schön (und auch ein klein wenig befremdlich), zuzusehen, wie jetzt eine digital affine Lehrendenschaft technologisch und medienpädagogisch versiert an einem vorbeiziehen, eben weil sie jetzt so digital vernetzt arbeiten können – und müssen. 

Und so schaue ich staunend auf die medialen Cracks des Twitterlehrer(*innen)zimmers, die sich alltäglich in immer interessantere Lehr-Lern-Settings hineinbewegen, oft im vernetzten Diskurs und wechselseitig voneinander lernend – also genau so, wie es sein sollte und wir all die Jahre “visionär” in die Zukunft hofften, dass es eines Tages so kommen möge. Weil, die soziokulturellen wie sozio-technologischen Voraussetzungen sind theoretisch längst gegeben bzw. werden jetzt (dank Corona!) endlich! endlich! endlich! realisiert.

Und so erobern sich die digitalen Vorreiter*innen in dieser Krisensituation neue Erfahrungshorizonte, die nunmehr viele im Mainstream mit sich reißen, um grundlegende Gewissheiten zu hinterfragen. 

  • Warum braucht es heute noch Prüfungen?
  • Was bringt dieses Bulimie-Lernen?
  • Wie viel Synchronlehre macht Sinn?
  • Brauchen wir noch Noten?
  • Wie ginge es anders?

Darum kreist auch der hier verlinkte Artikel. Er zeigt Alternativen auf, hinterfragt den meritokratischen Gerechtigkeitsaspekt des leistungsbezogenen Bildungssystems und demonstriert, wie Zeugnisse auch anders ausschauen könnten.

Nur beim Abitur oder der mittleren Reife meinen sie hier, bräuchte es noch eine Abschlussprüfung, um z.B. den Numerus Clausus abzusichern. Aber auch diesen hinterfragen fortschrittliche Geister(*innen) immer mehr. Letzthin in einer Besprechung mit u.a. Hochschullehrenden gesessen, die z.B. in Studiengängen zur Sozialen Arbeit lehren, für die es offensichtlich auch eines NCs bedarf. Nur sind die Personen mit einem NC nicht diejenigen, die unbedingt für die soziale Arbeit geschaffen sind, sind sie selbst doch viel zu selten gescheitert und haben insofern kaum Resilienzerfahrung aufgebaut. Einen negativen NC jedoch (also maximal bis Note X,Y) darf es im deutschen Hochschulsystem nicht geben. Das nennt man wohl systemisches Versagen. Nun, wir denken über zeitgemäße wie transformative Alternativen mit nach …

Und andere Schulen befinden sich schon konstruktiv auf dem Weg. Letzthin schrieb Valentin Helling aus dem Schulleitungsteam der ausgesprochen fortschrittlichen Alemannenschule Wutöschingen einen interessanten Thread (genau genommen 3) zum Thema “Prüfungen” und wie man dieses sinnvoll anderweitig aufsetzen könnte (und müsste). Um es ansatzweise hier aufzulösen:  Aufnahmeprüfungen können viel mehr Lernmotivation entfachen aufgrund ihrer Sogwirkung als Abschlussprüfungen, deren Sinn sich einem selten erschließt usw.

Also, an Ideen und Umsetzungen fehlt es nicht. Es geht voran! Mit jedem Lockdown-Tag mehr – zumindest für viele …


Artikel am 4. Februar 2021 erschienen auf Piqd als Hinweis auf den Quarks-Artikel So wenig aussagekräftig sind Schulnoten