In der schweizerischen “Republik” ist eine umfangreiche Rezension des neuen Forschungsepos’ von Thomas Piketty «Capital et idéologie» erschienen (wird erst zum März 2020 ins Deutsche übersetzt).
Auf 1200 Seiten zeigt darin Piketty auf, wie sich die wirtschaftlichen Ungleichheiten seit dem 19. Jahrhundert erst auf-, dann ab- und jetzt wieder aufbauten. Unzählige statistische Grafiken, die auf der Website veröffentlicht sind, untermauern wohl die empirische Meisterleistung.
Die Triebfeder seiner Arbeit lautet:
«Die Ungleichheit ist nicht ökonomisch und technologisch bedingt. Sie ist ideologisch und politisch. Das ist der offensichtlichste Schluss, den man aus der hier vorgestellten historischen Untersuchung ziehen muss. Der Markt und der Wettbewerb, der Profit und die Löhne, das Kapital und die Schulden, hoch und niedrig qualifizierte Arbeitskräfte, Staatsbürger und Ausländer, die Steuerparadiese und die Konkurrenzfähigkeit – nichts von alledem ist naturgegeben. Es handelt sich um soziale und sich historisch wandelnde Konstrukte, die vollständig vom Rechts-, Steuer-, Bildungs- und Politiksystem abhängen, das zu errichten man sich entschieden hat, und von den Kategorisierungen, auf welche die Gesellschaft sich abstützt.»
Deshalb mündet seine globale Analyse in einem Forderungskatalog, den man sich später im Detail anschauen muß. Er sieht vor allem 4 Handlungsfelder für seinen “partizipativen Sozialismus”:
- betriebliche Mitbestimmung
- Verstaatlichung in den klassischen Bereichen (Bildung, Gesundheit, Infrastruktur)
- Steuerprogression bis zu 90% der höchsten Einkommen
- Bekämpfung der Bildungsungerechtigkeit, also der “Tatsache, dass in künftige Eliten massiv mehr investiert wird als in weniger erfolgreiche Auszubildende”
Das sind die zentralen Säulen seines offenen Egalitarismus, der nicht die Klassenfrage auf die Seite schiebt, sondern darum kämpft, auch dem elitären Internationalismus auf die Füße zu treten. Es braucht mehr soziale Verantwortung, so Piketty!
Artikel am 13. Oktober 2019 erschienen auf Piqd als Hinweis auf den Republik-Artikel Ungleichheit ist kein Naturgesetz