Eine neue Studie analysierte den US-amerikanischen Arbeitsmarkt mit Blick auf den wachsenden Anteil an Gig-Arbeiter*innen. In der Zwischenzeit soll jede*r sechste Arbeitnehmer*in in Unternehmen der Gig-Industrie zugehörig sein. Dabei differenzieren die Firmen vertraglich zwischen zwei verschiedenen Formen:
Das ADP-Forschungsinstitut identifizierte zwei Welten von Gig-Arbeitern in Organisationen. Die erste besteht aus 1099-M-Vertragspartnern, die unabhängige Auftragnehmer sind, die häufig aufgrund ihrer Fähigkeiten auf Projektbasis eingestellt werden. Diese qualifizierten, fest angestellten Arbeitnehmer sind in der Regel älter, hoch qualifiziert und arbeiten mit denen, was ihnen Spaß macht. Tatsächlich sind 30 % der 1099-M-Gig-Arbeiter 55 Jahre oder älter. Für einige von ihnen ist ihre Gig-Arbeit ein zusätzliches Einkommen zu ihren Rentenersparnissen. Die zweite Gruppe umfasst W-2-Kurzzeitbeschäftigte, die jünger und weniger gebildet sind, ein geringeres Einkommen haben und in der Regel auf Saison- oder Bereitschaftsdienstbasis arbeiten.
W-2 bedeutet in den USA, die Personen sind steuerlich angestellt, wenn auch nur befristet und prekär, meist auch ohne Krankenversicherung. Dagegen bedeutet 1099-M, dass die Personen als Selbstständige selbst ihre Steuern entrichten müssen.
Nach Steve Boyd einigt diese Gig-Gruppen ihr Wunsch, nicht Vollzeit langfristig für einen Arbeitgeber arbeiten zu wollen. (Sofern sie denn noch einen Job angeboten bekommen mit 50+, ergänze ich an dieser Stelle.) Er war etwas verwundert, dass auch Jüngere lieber freelancen – trotz aller Unsicherheiten. Er erklärt es sich so, dass sie so selbstbestimmter leben können und sich nicht abhängig machen von illoyalen Unternehmen.
Das meinte auch letzthin ein gut gebildeter Millenial zu mir: Wenn er Geld braucht, klingelt er etwas rum, und dann arbeitet er solange, bis die Einnahmen seinen Wünschen entsprechen. Dusselige Jobs gibt’s in der Großstadt mehr als genug. Und wer keine Angestellten-Karriere anstrebt, der kann sich heutzutage vielfältig austoben und nebenbei selbstständig ausprobieren. Schon interessant, wie junge, akademische Milieus in ihrer Hyperkultur heute agieren …
Die Frage ist nur, welche Optionen ihnen später offenstehen, wenn sich das Alter etwas setzt. Wird es für sie einfacher sein als für uns Generation X-Menschen? Wird das politische und soziale System ihren Wunsch nach Unabhängigkeit unterstützen? Oder wird der alte Machtapparat der alten Industriegesellschaft auch weiterhin versuchen, alle in ihre eingefahrenen Bahnen zu lenken? Der Kulturwandel hat sich längst vollzogen. Wann wird die Politik darauf reagieren?
Artikel am 6. Februar 2020 erschienen auf Piqd als Hinweis auf den Medium-Artikel The Two Worlds of the Gig Economy