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Das Bildung 4.0 Manifest

Präambel

Aktuelles Wissen ist die zentrale gesellschaftliche Währung in einem Wirtschaftssystem, in dem zwei Drittel der Wertschöpfung durch Dienstleistungen geschaffen werden und die Produkte bzw. Dienstleistungen zunehmend von Maschinen statt von Menschen generiert werden.”

Duquesne Incline
CC BY 2.0 Hannaford

Heute wächst Wissen durch digitale Vernetzung exponentiell. Es verändert sich ständig, öffnet neue Durchgänge und verkürzt Wege.

Da sich dieses System kontinuierlich im Fluss bewegt, müssen sich die Menschen im 21. Jahrhundert an die multiplen Veränderungen der VUCA-Welt individuell und kollektiv anzupassen.

Definition VUCA:

  • V wie Volatility = Unbeständigkeit
  • U wie Uncertainity = Unsicherheit
  • C wie Complexity = Komplexität
  • A wie Ambiguity = Mehrdeutigkeit

Dabei bedeutet “kollektiv” weit mehr als so genanntes “Social Learning”. Es setzt vielmehr ein Denken in komplexen Netzwerkstrukturen voraus, inklusive der Familien, Peers, Nachbarschaften, Maschinenparks, Algorithmen usw.

Genau das machen übrigens die grossen, zukünftigen Bildungsprovider der Kreativökonomie (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) auf dem Vormarsch in das Educational Business vor – und auch da haben sie schon ziemlich viel Vorsprung.

Bildung 4.0 ist insofern das neue Betriebssystem der Gesellschaft, das im globalen Wissensstrom regelmäßig und in Echtzeit sich verändernde soziale Muster erzeugt, damit die Menschen daraus im Open Innovation Prozess immer wieder ihre Kompetenz neu entwickeln können.

Individuelle Bildungsprozesse sind Teil dieses permanenten Wissensaustausches und der kollektiven Wissenskonstruktion. Für den Menschen bedeutet Bildung daher neben der persönlichen Selbstentfaltung die aktive Teilhabe an der Gesellschaft – und dies auch in digitaler Form.

Bildung 4.0 muss sich insofern kontinuierlich der DNA der digitalen Revolution anpassen. Und das führt uns zu Beschleunigung, Netzdynamik, Vernetzung und … immer Beta.

Legen wir los

These 1

Bildung 4.0 muss sich als gesellschaftliches Betriebssystem dem ständigen Wissensfluss anpassen – also responsive sein. Das geht nur ohne Bürokratie.

Ein soziales Wissen, das sich unaufhörlich verändert, erweitert und skalierbar ist, braucht auch die dazu passenden Bildungsstrukturen. Eine Ausbildung mit späteren Weiterbildungen und ggf. Umschulungen ist den heutigen Veränderungsprozessen nicht mehr gewachsen.

Liquid statt starr lautet die Empfehlung des St. Gallener Think Tanks für “Arbeiten im 21. Jahrhundert”, wobei es nicht um die Arbeit als Masse geht, sondern um die Qualität der menschlichen Lohnarbeit und deren soziale, individuelle und ökonomische Wertschöpfungspotenziale – im Vergleich zu den Arbeiten, die von Robotern und künstlicher Intelligenz besser, schneller, leichter gemacht werden können.

Beschleunigung und Konzentration verändern nicht den Wert des Wissens an sich, sondern seine ökonomische Verwertbarkeit und somit die Voraussetzungen dafür, die vom Bildungssystem geschaffen werden. Das Wissen eines Webers oder Schneiders ist heute immer noch hochwertig, wurde aber durch die Technik zunehmend unwirtschaftlich.

Das gleiche gilt für eine Vielzahl an Berufen, für die heute noch mit viel Aufwand ausgebildet wird, die aber morgen ökonomisch unproduktiv sein werden. Der Prozess wird sich nicht wie im Fall der Weber über 20 Jahre hinziehen, sondern passiert innerhalb kürzester Zeit.

Bildung 4.0 braucht entsprechend möglichst bürokratiefreie Strukturen. Nur so kann sie sich den Umständen je nach Bedarf anpassen.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare …

  • Offenheit
  • Bewegung
  • Selbstverantwortung
  • Mitschwingen

These 2

Lucid statt blind. Den Tatsachen ins Auge sehen. Und das System als solches auf den Prüfstand bringen.

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Photo by James Wheeler on Pexels.com

Bildung 4.0 beginnt mit einem nüchternen Faktencheck. Statt sich in der digitalen Dialektik (Digitalisierung des alten Bildungssystems) zu verlaufen, begegnet Bildung 4.0 den kommenden Veränderungen durch eine Bestandsaufnahme:

  1. In welchen Berufen ist schon heute die bevorstehende Automatisierung durch Roboter oder KI (künstliche Intelligenz)-Software klar erkennbar?
    Hier noch die bestehenden Ausbildungsstrukturen zu erhalten und Menschen bewusst in diese Sackgassen zu treiben, ist volkswirtschaftlich ruinös und ethisch verwerfbar. Auch wenn es politischer Opportunismus ist.
  2. Wo gibt es bereits Anknüpfungspunkte zu neuer Kompetenz? Nicht nur in der so genannten Industrie 4.0.
    Viele Trends sind schon klar erkennbar, werden jedoch vom aktuellen Bildungssystem nicht registriert, weil sie entweder nicht in das Wertesystem passen, oder zu grosse Widerstände überwinden müssten. Ein Organ will immer seine Funktion behalten.

Bildung 4.0 schafft insofern unabhängige Strukturen, die von aussen auf das Bildungssystem blicken und ohne Stakeholder-Interessen regelmässige Bestandsaufnahmen tätigen können.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare:

  • Die Nachhaltigkeit einer Ausbildung ernsthaft prüfen, bevor sie begonnen wird.
  • Sich selbst und die Arbeitsumgebung kontinuierlich überprüfen: Wird meine Kompetenz in der vorhandenen Art tatsächlich noch gesellschaftlich gebraucht?
  • Welche Fähigkeiten und welche Kompetenz könnte die Arbeit erleichtern und die Gesellschaft voranbringen?
  • Wo könnte meine Kompetenz mehr gesellschaftliche Wirkung entfalten?

These 3

Im Mittelpunkt steht der Mensch als Wertschöpfer für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Welt dreht sich nicht nur um Angestellte.

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CC BY 2.0 Doug Belshaw

Wie aber erhält eine Gesellschaft den individuellen und kollektiven Wert des Homo Faber (der schaffende Mensch) in einer Gesellschaft, wo seine ökonomische Bewertungsskala täglich neu von Angebot und Nachfrage definiert wird und die individuelle Kreativität und kollektive Innovation zu den wichtigsten Wertschöpfungsquellen werden?

Fakt ist: Die Wirtschaft und die meisten Unternehmen wissen heute nicht, welche Kompetenzprofile sie morgen brauchen. Getrieben von den weltwirtschaftlichen Dynamiken, stolpern die meisten in ihrem Anpassungsprozess beständig hinterher.

Die Lösung findet man in einem Perspektivwechsel: Die Kompetenz einer Wirtschaft entfaltet sich heute entlang der individuellen Kompetenzen seiner Citizens.

Damit verlagert sich auch komplett der Fokus aller institutionellen Bildungssysteme: Im Mittelpunkt steht nicht mehr nur das Wohl der Wirtschaft und der Unternehmen sowie die “employability” des Einzelnen, sondern das Wohl des Menschen und seine Fähigkeit, sich selbst immer wieder neu anzupassen.

Statt Arbeitsmarkt bezogene Programme und Raster anzubieten, gilt es heute, eine neue gesamtgesellschaftliche Grundkompetenz herauszubilden.

Welche Kompetenz braucht eine steigende Zahl von Erwerbstätigen, um sich individuell und möglichst proaktiv den Veränderungen anzupassen und dabei als (arbeitender) Mensch wertvoll – für sich selbst und die Gesellschaft – zu bleiben?

Schliessen wir uns dem Institute for the Future an und weisen auf die dort genannten 10 Fähigkeiten hin.

Angelica hat die IFTF-Grafik auf folgende zentrale Fähigkeiten reduziert (und teilweise übersetzt):

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Kompetenz der Zukunft – Bild: (c) Angelica Laurençon, connect2communicate

Ab einem gewissen Grad (nach Ende einer hochwertigeren Grundschulausbildung!) sind somit viele Ausbildungsraster und Strukturen überfordert und überholt. Sie entsprechen einfach nicht mehr diesen universalen Kompetenzen.

Bildung 4.0 bedeutet eine Verschlankung des institutionellen Bildungssystems und die Etablierung einer breiten, gesamtgesellschaftlichen Bildungskultur. Ziel muss es sein, die Gesellschaft insgesamt aktiv mitprägen zu können, sei es durch Citizenship, Employability oder Entrepreneurship.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Bereit sein für dauernde Veränderung.
  • “sich individuell und möglichst proaktiv den Veränderungen anpassen und dabei als (arbeitender) Mensch wertvoll – für sich selbst und die Gesellschaft bleiben”
  • Global denken, lokal handeln.

These 4

Die Qualität der Lohnarbeit schlägt zukünftig deren Quantität. Bildung 4.0 muss aber der Masse der Menschen eine Option bieten.

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CC BY ND 2.0 Dennis Skley

Die Arbeit geht nicht aus. Es geht um den Wert der Lohnarbeit und der Arbeitenden. Der Wert der Arbeit polarisiert sich zunehmend: Eine kleine Minderheit bekommt viel Geld, solange die akute Nachfrage nach ihren Qualifikationen anhält.

Dass die Haltbarkeitsdauer der Qualifikationen und Expertise kürzer wird, ist für hoch qualifizierte Menschen weniger problematisch als für geringer qualifizierte, denn sie bilden sich oft selbst orientiert weiter und integrieren sogar die neuen Hybridfaktoren (wie z.B. hybride Arbeitsstrukturen, hybride Lern-/Arbeitszeiten, hybride Kompetenz).

Wo und wie aber qualifiziert sich die Masse im Mittelfeld der kompetenzschwachen Dienstleister bzw. Industriearbeiter, ohne (wie bisher) in die Sackgassen überholter Weiterbildungsvorlagen oder in die Scheinselbstständigkeit zu geraten?

Wie kann das Bildungssystem ihnen genau jene neuen skalierbaren Eigenschaften anbieten, die dem Einzelnen ein dauerhaftes Wertschöpfungspotenzial bieten, nicht nur in der kurzfristigen Strategie eines unternehmensorientierten Bedarfs, sondern in der Strategie eines persönlichen lebenslangen Lernmanagements?

Eine Freelance Ökonomie nach US Muster bedeutet nicht nur das Ende des europäischen Sozialstaates. Es ist auch das Ende des klassischen Bildungssystems, das wie das Gesundheitssystem Teil der sozialen Errungenschaften war. Die Menschen müssen nunmehr selbst aktiv werden.

Bildung 4.0 muss auch alternative Wertschöpfungsmodelle neben dem Angestelltendasein unterstützen, will sie nicht einer gesellschaftlichen Depression Vorschub leisten, weil sich viele Menschen der rasanten Dynamik nicht gewachsen fühlen.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • “Eine persönliche Strategie des Lernmanagements entwickeln.”
  • Freiräume und Ressourcen für Bildung einfordern, beanspruchen und nutzen.
  • Sich als unternehmender Mensch begreifen.
  • Etwa 15% des Einkommens und 20% der Zeit in Lernen und Training investieren.

These 5

Digitales Umdenken statt digitaler Aktionismus. Es geht um eine neue Bildungskultur. Und dafür braucht es vielfältige Öffnungsprozesse.

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Photo by alleksana on Pexels.com

Die digitalen Technologien bestimmen das Tempo der Netzwerkgesellschaft und ihrer Volkswirtschaften. Sie bestimmen auch die betriebswirtschaftliche Organisation der Unternehmen, die durch die institutionellen Versäumnisse immer grössere, skalierbare Zeitfenster für die Bildung ihrer Mitarbeiter_innen schaffen müssen. Dazu gehört nicht nur die konsequente Nutzung digitaler Technologien auf allen Ebenen, sondern auch ein autonomer Lernprozess.

Bildung 4.0 ist jedoch mehr als digitales Lernen oder digitaler Wissenstransfer. E-Learning, Blended Learning, Lernplattformen, MOOCs vermitteln Inhalte wie Frontalkurse oder Fernstudien. Aber so entwickelt sich noch keine Kompetenz. Diese entwickelt sich nur ko-kreierend in der alltäglichen Praxis.

Dass digitale Lehrangebote gleichwohl im kommenden Jahrzehnt vielen Bildungseinrichtungen die ökonomische Substanz nehmen werden, ist heute schon am Beispiel vieler US-Universitäten und Bildungsträger zu sehen. Dass sich alle Wissenstransferleistenden (vom Grundschullehrer bis zur Professorin) neu orientieren werden müssen, ist ebenso nicht nur eine Zukunftsvision.

Bildung ganz neu zu denken, quer zu den bestehenden Strukturen, das ist die Herausforderung unserer Zeit. Open Education über den bestehenden Content hinaus zu verstehen und auch die Strukturen des Bildungssystems grundlegend öffnend, das wäre eine zeitgemäße Weiterentwicklung in Richtung Bildung 4.0.

Bildung 4.0 muss weit flexibler gedacht werden als in den uns vertrauten Bildungskanälen und -schemata. Dabei die informellen Potenziale des lebenslangen Lernens nicht nur als Worthülse zu nutzen, ist die Herausforderung unserer Zeit.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Sich digital aufbauen, um sich mit anderen “Expert_innen” auszutauschen und zu vernetzen, um auf dem Laufenden zu bleiben und zu lernen, anstatt tausende (Online-)Kurse zu besuchen.
  • Das Netz mit seinen Akteuren_innen als Lern-, Gestaltungsort (Büro, Werkstatt) und Ressource nutzen.
  • Nicht auf Scheine oder Zertifikate fokussieren, sondern auf gemeinsam entwickelte Lösungen setzen.
  • Visionen zulassen.
  • Spiel- und Basteltrieb kultivieren und Ideen mit anderen ausprobieren: Lieber 60/40 kalkulieren anstatt 80/20.
  • Dabei fehleroffen mit sich selbst und anderen umgehen. Es ist nicht nur ein Spruch, man lerne das meiste aus Fehlern.
  • Sich in sozialen Kompetenzen üben. Aufmerksam sein.

These 6

Mint & Makers: Kompetenzen verbinden. Das Handwerk wird wieder wichtig.

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CC BY 2.0 jeremiah.andrick

Bildung 4.0 hat die Aufgabe, fluides Wissen mit Kompetenz zu verbinden und Altbewährtes mit Betalösungen zu vernetzen. Daraus kann Neues entstehen.

Mint-Berufe (z.B. Ingenieur und IT) sind als Zuarbeiter von Industrie 4.0 in der Umsetzung des industriellen Internets der Dinge und im Rahmen der Automatisierungsprozesse in der Produktion gefragt. Im Verhältnis zu den 43,3 Millionen Erwerbstätigen sind die etwa 500.000 MINT-Experten (akademischer Hintergrund) jedoch arithmetisch unbedeutend und die IT- und Software-Experten schaffen allein noch kein “Jobwunder 2020”.

Das Vernetzungspotenzial zwischen der bestehenden Wirtschaftsmacht von nebenan, d.h. dem Handwerk und den neuen technologischen Möglichkeiten ist jedoch unbegrenzt.

Hier könnte Bildung 4.0 schnell und ohne grossen Kostenaufwand offene und transversale Rahmenbedingungen schaffen, um die drei kommenden Bedürfnisse gleichzeitig zu befriedigen:

  • Berufsbilder mit nachhaltigem Mehrwert,
  • Ausbildung 4.0 digital und konkret wäre für viele Azubis sicher spannender als die traditionellen Berufsschulen,
  • lokale Dienstleister als Teil der sozialen und gesellschaftlichen Strukturen.

Def. Transversal

Herkunft:
lateinisch transversus „quer“

Bedeutungen:
[1] bei Linien: eine oder mehrere andere Linien kreuzend
[2] Physik: zur Bewegungsrichtung senkrecht

aus: Wiktionary

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Risikobereitschaft der politischen Klasse würdigen
  • Bereitschaft, berufliche Areale mit anderen zu teilen
  • neue Zusammenarbeiten quer zu den Gewerken suchen
  • mit Beta-Lösungen leben können

These 7

Bildung 4.0 bedeutet lebenslange Lernbegleitung. Ein bedingungsloses Lernguthaben muss her.

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CC BY 2.0 Thomas’s Pics

Bildung 4.0 ist lebenslange Lernbegleitung in Form eines bedingungslosen Lernguthabens (BELGUT), individuell aufladbar bei Bedarf als verbindlicher Teil des lebenslangen Arbeitsprozesses. Die Lernzeit wird dabei als Arbeitszeit berechnet. Sie ist integraler Bestandteil des Arbeitslebens.

Bedingungslos bedeutet dabei die Aufhebung aller bestehenden Raster und Autoritäten. Selbstbestimmte erwachsene Menschen brauchen keine An- und Zuweisungen aus dem Jobcenter oder von der Personalabteilung.

Bildung 4.0 ist entgrenztes Lernen, damit intrinsisch motivierte Lernende nicht nur Zugang zu hochaktuellen Lerninhalten jenseits der inländischen Bildungsträger bekommen, sondern diese auch über ihr Lernguthaben finanzieren können.

Damit könnte dem akuten Mangel an (Big) Data Analysten, Data Scientists, Data Architects oder vielen anderen neuen Kompetenzen begegnet werden. Ausserdem entstände vielleicht ein aktiver Wissensaufbau in ganz neuen Bereichen: Ökologie und Finanzwelt, Agrarwirtschaft und IT, Maschinenbau (Thermodynamik) und Aquakultur, Linguistik und Data Mining.

Die Lernzeit (dazu gehört auch die Ausbildungszeit nach der gesetzlichen Schulpflichtzeit) muss auf die lebenslange Arbeitszeit angerechnet werden. Es kann nicht sein, dass das soziale Sicherungssystem (wie z.B. die Rente) hier qualitative Unterschiede macht. Mentoren und Traineraktivitäten sollten zudem einen zusätzlichen Stellenwert erhalten.

Wir brauchen kontinuierlich Lernende und Lehrende, die sich wechselseitig immer weiterbilden. Nur so wird Bildung 4.0 transversal, offen und hybrid.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Lernen wollen
  • Lust am Lernen
  • Zeit zum Lernen
  • attraktive Lernorte
  • unbürokratisches Abrufen von Geldern
  • Fähigkeit von und mit anderen zu lernen

These 8

Bildung 4.0 ist Volkswirtschaft und kein Business. Es braucht eine durchgängige digitale Kultur, keine digitale Agenda.

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CC BY 2.0 Amit Patel

Bildung 4.0 muss künftig im ständigen Fluss auch proaktiv statt reaktiv sein, wenn sie nicht dauerhaft von dem “educational business” überholt werden will.

Letzteres hat schon die Strukturen geschaffen und die Weichen gestellt. Bildung 4.0 muss ebenso schnell, kreativ und skalierbar sein wie diese digitalen Bildungslösungen. Die Frage ist nur, wie kann das gelingen mit Menschen, die im alten Mindset ausgebildet wurden?

Die exponentielle Nachfrage an zeitgerechten und zeitnahen Bildungsangeboten überfordert die bestehenden Bildungseinrichtungen schon seit Beginn der digitalen Revolution.

Web Designer und Web Developer, IT-Admins, Social Media und Community Manager haben sich zuerst selbst und untereinander geschult, bevor sie von den Bildungsträgern (privat oder gemeinnützig) als externe Dienstleister ausgebildet wurden.

Die erfolgreichsten Köpfe der Kreativindustrie sind zudem Schul- oder Studienabbrecher. Die kreativsten Köpfe stecken sicher nicht in den Pipelines der aktuellen Bildungsstätten.

Bislang betraf diese Kluft zwischen alten und neuen Inhalten und Formen nur zwei Bereiche: Kommunikation, Medien einerseits und Informationstechnologien (Software/Hardware) andererseits. Der Wandel betrifft jetzt alle Bereiche und ist transversal und hybrid.

Solange die digitale Revolution nur die Peripherie betraf und die Substanz der Gesellschaft nicht wahrnehmbar gefährdete, sah man in ihr keine Gefahr. Jetzt aber zielt sie auf zwei lukrative soziale Bereiche: Gesundheit und Bildung. In beiden ist die Nachfrage enorm und das bestehende Angebot ökonomisch nicht mehr tragbar.

Liegt die Zukunft der Bildung bei Google, Apple, Facebook, Amazon, Bertelsmann oder Microsoft – oder bei den vielen lokalen privaten Bildungsträgern, die die Lücken eines Bildungssystems ausfüllen, das den Paradigmenwechsel nicht wahrgenommen hat?

Es geht nicht nur an die Substanz der Lehrenden, Professoren und Bildungsbürokraten. Es ist eine Frage des volkswirtschaftlichen Nutzens.

Viele Menschen, die im alten System ausgebildet wurden, sind nicht nur in den falschen Berufen unterwegs, sondern können zudem mit den Anforderungen einer Arbeit 4.0 nichts anfangen, weil das klassische Bildungssystem sie auf unselbstständig und unflexibel getrimmt hat. Die Ausgestaltung und Finanzierung der Sozialversicherungs-Systeme führt diese alte Angestellten-Mentalität konsequent weiter, als ob die Welt sich weiter drehe wie bisher.

Bildung 4.0 bedeutet insofern, offene Strukturen zu schaffen, die Alternativen an den Rändern experimentell zulassen. Die finanziellen Ressourcen müssen teilweise umgelenkt werden, um nicht durchgängig in einem Fass ohne Boden zu landen.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Sich von alten Mustern lösen
  • Ängste abbauen
  • Chancen sehen
  • proaktives statt reaktives Mindset entwickeln
  • zivilgesellschaftliche Initiativen in das bestehende System integrieren
  • radikale Experimente zulassen oder gar fördern
  • Transformation leben, indem man sich quer zu den Strukturen austauscht

These 9

Plattform statt Pipelines: Personalisiert statt Konserven aus der Schulküche. Die Grundlage des öffentlichen Systems sollte maximal gemeinfrei gestaltet sein.

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CC BY 2.0 digital cat

Bildung 4.0 ist auch die Umkehrung der bisherigen Dynamik im Wissenstransfer.

Bildungsträger schufen Jahrhunderte lang Pipelines, in denen Inhalte verteilt wurden. Die Industriegesellschaft formatierte die Massenproduktion und ihr Qualitätsmanagement: Damit überall die gleiche Qualität garantiert werden konnte, meinte man, man brauche identische Bewertungskriterien: Punkte, Module, Raster, Credits.

Das Bologna-Modell ist die letzte Stufe dieser Entwicklung, ist aber an sich selbst gescheitert. Die Kompetenz im 21. Jahrhundert nimmt sie gar nicht auf und übersieht dabei komplett die neue Plattform-Dynamik, die auch das Ökosystem der Kreativindustrie bestimmt.

Bildung ist heute Teil dieser Kreativindustrie mit ganz neuen Triebwerken:

  • Der Datenfluss schafft ständig neue Inhalte und führt zum liquid learning,
  • offene Plattformen mit Interaktion sind die neue Lieferkette,
  • Community Management ist ebenso wichtig wie die Verarbeitung neuer Inhalte in Echtzeit,
  • benutzerdefinierte Lerninhalte sind wichtiger als Fertiggerichte.

Im 21. Jahrhundert braucht es flexible Plattformen, um den Massenbedarf an dynamischer Bildung zu decken. Im hoheitlichen Bildungsbereich kann dies nur bedeuten, institutionenübergreifende, dezentrale, kooperative Plattformen aufzusetzen statt auf kommerzielle Strukturen zwangsläufig zugreifen zu müssen. Dies widerspricht aber föderalen Förderstrukturen. Ein Dilemma, das aber im Interesse von Bildung 4.0 transformativ gelöst werden muss.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Lernangebote selbst gestalten
  • Bereitschaft aktiv mitzumachen
  • Gewinnermentalität ablegen
  • Arroganz abstreifen
  • Auch auf kommerziellen Plattformen austauschen
  • Online weiterbilden (z.B. zum Aufbau von Plattformen)

These 10

Bildung 4.0 bedeutet die Aufhebung von Zeit- und Raum-Einheiten. Das kommt einem Ende von “Abschlüssen” gleich.

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CC BY 2.0 valentin.d

Bildungsprozesse waren bislang an vorgegebene Zeiteinheiten gebunden, nämlich an das 3-Stufen System: Grundschule, Mittel-/Oberstufe, Berufsausbildung.

Letztere unterliegt wiederum selbst einem Stufenplan: Entweder Bachelor, Master, Doktor oder Lehrling, Geselle, Meister.

Bildung 4.0 sollte diesen Stufenplan spätestens ab der Ausbildungsphase nicht mehr an zeitliche und räumliche Vorgaben knüpfen. Die Menschen lernen nicht immer im gleichen Tempo. Auch ermöglichen die Lebensbedingungen nicht immer einheitliche Modelle.

Viele Module könnte man zudem leicht in viel kürzeren Zeiten hinter sich bringen. Für andere braucht man wiederum länger, was beim Bachelor-Studium zu vielen Studienabbrüchen, vor allem in den MINT-Fächern führt.

Fernlerngänge, die heute noch in Zeiteinheiten festgezurrt sind, bieten vielleicht Prokrastinaten ein Korsett, sind jedoch für erwachsene Menschen im selbst organisierten Lernen absurd. Es braucht mehr Verantwortungsabgabe an die einzelnen Menschen.

Wichtig ist der persönliche oder kollektive Erwerb neuer Kompetenz und die Fähigkeit, diesen Erwerb flexibel zu dokumentieren. Nicht in Form eines Zertifikats, sondern durch (wie einst) ein Gesellen- bzw. Meisterstück im persönlich angepassten E-Portfolio. Wie auch immer jede/r dies ausgestalten mag.

Bildung 4.0 ist ständig im Fluss, kann nicht gelenkt und auch nicht bewertet werden. Es ist eine Systematik, die eine allgemein zugängliche Infrastruktur auslegt, die individuell je nach persönlichem Interesse genutzt werden kann. Die Zeiten von Bildungskarrieren sind vorbei.

Was bedeutet das für den Einzelnen und die Gesellschaft?

Ergänzungen bitte in die Kommentare

  • Verantwortung für die eigene Aus- und Weiterbildung übernehmen
  • Lernen selbst organisieren
  • Sich als Expert_in zeigen – auf einer Plattform der persönlichen Wahl
  • Nicht auf Motivation von aussen hoffen
  • Starten, nicht warten

Dieses Manifest entstand aus einer kollaborativen Produktion von Angelica Laurençon mit Anja C. Wagner, ergänzt von Christoph Schmitt und Inge Schmidt.


Literatur

Unsere Sammlung zum Artikel auf Pinterest: Hier entlang, bittschön…


Weitere Lektüre gefällig?

Hier geht’s zu unserem passenden E-Book:

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Angelica Laurençon & Anja C. Wagner: B(u)ildung 4.0: Wissen in Zeiten technologischer Reproduzierbarkeit

>> B(u)ildung 4.0: Wissen in Zeiten technologischer Reproduzierbarkeit


Eine Antwort auf „Das Bildung 4.0 Manifest“