Der digitale Wandel schreitet unaufhaltsam voran und stellt uns vor neue Herausforderungen – auch und gerade im Bereich der Arbeitswelt. Künstliche Intelligenz (KI) automatisiert zunehmend Routineaufgaben und verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend. Doch was bedeutet das für uns als Individuen und als Gesellschaft? Welche Rolle spielt die kulturelle Bildung in diesem Transformationsprozess? Darüber sprachen wir im Rahmen unseres KI-Kompass-Projekts in Kooperation mit der KuBi-Academy.
KI als Treiber des Wandels
KI-Systeme sind in der Lage, komplexe Aufgaben zu übernehmen, die bisher Menschen vorbehalten waren. Das führt einerseits zu Effizienzsteigerungen und Produktivitätsgewinnen, andererseits aber auch zu Verunsicherung und Ängsten vor Jobverlust. Die aktuelle McKinsey-Studie zeigt, dass bis 2030 alleine in Deutschland bis zu drei Millionen Jobs betroffen sein könnten, was sieben Prozent der Gesamtbeschäftigung entspricht. Auch wenn die genauen Zahlen prognostiziert sind, ist klar: Der Wandel der Arbeitswelt durch KI ist tiefgreifend und unumkehrbar. (Siehe hier unsere Zusammenfassung der Studie im KI-Kompass.)
Mehr Freizeit – Fluch oder Segen?
Doch KI birgt auch Chancen. Wenn Routineaufgaben wegfallen, bleibt mehr Zeit für kreative, soziale und sinnstiftende Tätigkeiten. Schon in den 1930er Jahren prophezeite der Ökonom John Maynard Keynes, dass der technologische Fortschritt uns ein “Zeitalter der Freizeit und des Überflusses” bescheren würde, in dem die Menschen nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Auch wenn wir davon noch weit entfernt sind, zeichnet sich ab, dass KI uns mehr Freizeit ermöglichen könnte. Doch sind wir darauf vorbereitet? Haben wir gelernt, mit dieser neu gewonnenen Zeit sinnvoll umzugehen?
Kulturelle Bildung als Kompass im Wandel
Hier kommt die kulturelle Bildung ins Spiel. Sie kann uns helfen, den digitalen Wandel menschenzentriert zu gestalten und unsere Kreativität und Persönlichkeit zu entfalten. Kulturelle Bildung fördert Fähigkeiten wie kritisches Denken, Problemlösen und lebenslanges Lernen – Schlüsselkompetenzen in einer Welt im Umbruch. Sie schafft Räume für Reflexion und Diskurs, in denen wir uns über unsere Werte und Visionen für die Zukunft verständigen können. Und sie ermöglicht uns, unsere Freizeit sinnvoll und erfüllend zu gestalten, sei es durch künstlerische Betätigung, soziales Engagement oder persönliche Weiterentwicklung.
Unser KI-Kompass-Talk am 28. Mai 2024
Wir starteten das Gespräch mit 3 Impulsen:
Anja’s Einführung: Digitaler Wandel und Herausforderungen

- Deutschland hinkt bei Digitalisierung und Resilienz hinterher
- Gesellschaft spaltet sich in SkeptikerInnen und BefürworterInnen des digitalen Wandels
- Weiterbildungsbereitschaft in Deutschland ist gering
- Informelle Bildung wird zunehmend wichtiger
- Fragen an die Kulturschaffenden: Wie werden sie zu VordenkerInnen? Welche ambitionierten Projekte gibt es? Wie sieht der Job einer digitalen Kulturmanagerin aus?
Wir müssen uns überlegen, wie wir Menschen, die aufgeschlossen sind, aber noch nicht wissen wie sie KI begegnen sollen, Angebote machen, die ganz anders sind als klassische Weiterbildungsformate.
– Anja C. Wagner
Anke’s Perspektive als Kulturschaffende

- Kunst und Kultur sind nicht ausgenommen vom digitalen Wandel
- Widerstand und Skepsis gegenüber KI im Kulturbereich
- Kulturelle Bildung muss sich der Verantwortung stellen, Menschen zu befähigen, mit dem Wandel umzugehen
- Es braucht neue Formate und Inhalte, um ein reflektiertes Mindset zu erreichen
- Kulturbereich soll als “Trainings-Arena” für den Umgang mit KI dienen
Kulturelle Bildung muss ihrer Verantwortung gerecht werden und Menschen befähigen, kritisch und reflektiert mit KI umzugehen. Dafür braucht es neue Formate und Inhalte.
-Anke von Heyl
Daniel’s Ergänzungen und Impulse

- KI-Systeme sind ein Produkt menschlicher Kultur
- Interdisziplinäre Perspektive auf KI ist wichtig (Kognitionswissenschaften)
- Bildung spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Verhältnisses zu KI
- Historische Einordnung: Philosophen wie Leibniz, Wittgenstein und Minsky haben Grundlagen für KI gelegt
- Schule tut sich schwer mit der Integration von KI-Themen
- Kulturelle Bildung muss ausgleichen, was in der Schule nicht passiert
- Zukunftsszenarien und Narrative zur Gestaltung der KI-Zukunft entwickeln
KI-Systeme sind ein Produkt menschlicher Kultur. Wir müssen aus jedem Feld, insbesondere aus der Kultur, definieren was wir wollen und Anforderungen formulieren.
-Daniel Autenrieth
Kulturelle Bildung im Spannungsfeld unterschiedlicher Kulturbegriffe
Die Diskussion um die Verantwortung der kulturellen Bildung im digitalen Wandel wirft grundlegende Fragen zum Verständnis von Kultur auf. Anjas Kulturbegriff, der von Clifford Geertz und Geert Hofstede geprägt ist, betont die kollektive Dimension von Kultur als “Software des Geistes”. Kultur manifestiert sich demnach in geteilten Werten, Symbolen und Praktiken, die das Denken und Handeln von Individuen prägen.
Demgegenüber steht ein engerer Kulturbegriff, der Kultur primär mit Kunst, Ästhetik und Bildung assoziiert. Anke weist darauf hin, dass sich der Kulturbereich nicht auf eine “Insel der Analogität und Authentizität” zurückziehen kann. Vielmehr muss sich kulturelle Bildung der Verantwortung stellen, Menschen zu befähigen, mit dem digitalen Wandel umzugehen.
Daniel ergänzt, dass KI-Systeme letztlich ein Produkt menschlicher Kultur sind. Um sie human zu gestalten, braucht es einen fundierten gesellschaftlichen Diskurs darüber, welche Zukunftsszenarien wir anstreben. Hier kann die kulturelle Bildung ansetzen, indem sie Experimentier- und Reflexionsräume schafft.
Kompetenz, so Anja, entsteht im Zusammenspiel individueller Fähigkeiten mit den kulturellen wie infrastrukturellen Rahmenbedingungen. Wenn sich diese durch die Digitalisierung verändern, müssen Individuen einen proaktiven Umgang damit finden, um den Wandel mitgestalten zu können. Kulturelle Bildung kann hierfür Zugänge eröffnen, die über eine rein technische Perspektive hinausgehen.
Entscheidend ist, dass kulturelle Bildung den digitalen Wandel als umfassenden kulturellen Wandel begreift. Dafür muss sie unterschiedliche Kulturbegriffe integrieren: Einerseits geht es darum, künstlerisch-ästhetische Ausdrucksformen für neue digitale Phänomene und kritische Reflektionen zu finden. Andererseits muss sie die kollektive Dimension von Kultur im Blick behalten und Räume für gesellschaftliche Verständigung schaffen.
So kann kulturelle Bildung dazu beitragen, dass wir den digitalen Wandel nicht nur als technologische Disruption erleben, sondern als Gestaltungsaufgabe für eine menschenfreundliche Zukunft begreifen. Dafür braucht es Mut zum Experiment, Offenheit für neue Perspektiven und die Bereitschaft, liebgewonnene Gewissheiten zu hinterfragen. Wenn kulturelle Bildung diese Herausforderung annimmt, kann sie zu einem wichtigen Kompass im digitalen Wandel werden.
Ein Aufruf zum Umdenken
Die Verantwortung der kulturellen Bildung im Wandel der Arbeitswelt ist enorm. Sie muss sich der Herausforderung stellen, Menschen zu befähigen, den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten, statt ihn passiv zu erleiden. Dafür braucht es neue Formate und Inhalte, die ein reflektiertes Mindset fördern und niemanden zurücklassen. Der Zugang zu kultureller Bildung wird zur sozialen Frage, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.
Es ist an der Zeit, dass wir unsere Prioritäten überdenken. In einer Welt, in der Maschinen immer mehr Arbeit übernehmen, müssen wir neu definieren, was uns als Menschen ausmacht und was unserem Leben Sinn und Erfüllung verleiht. Kulturelle Bildung kann uns dabei als Kompass dienen und uns helfen, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen, die KI uns eröffnet. Packen wir es an!
P.S. Das Titelbild ist ein visueller Vorschlag von ChatGPT 4o zum Talk-Transkript.
