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Was berufliche Nicht-Anerkennung und Rap-Kultur verbindet

Dieses im ZDF ausgestrahlte Kurzportrait über Fatih Akin ist unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant. Klar, Anlass dazu ist sein neuer Film Rheingold, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll. 

Aber was interessant ist an dieser verlinkten Doku, ist die Beschreibung seines Lebensweges und die deutsche Wenig-Willkommenskultur hinsichtlich der beruflichen Anerkennung von fliehenden Immigrant*innen. Wie schwierig es für viele mit respektablem beruflichem Hintergrund sei, hier anzukommen und ganz unten wieder anfangen zu müssen. Entweder dürfen sie gar nicht arbeiten oder werden in schlecht bezahlte Jobs am unteren Ende der sozialen Leiter geparkt. 

In dieser Gemengelage wachsen junge Menschen auf, die auch ein Geltungsbedürfnis haben und ihre Erfahrungen in Nischen verarbeiten. Daraus entsteht eine lebendige Parallelkultur, die der Mainstream-Kultur komplett entgegensteht. Letztere will aber die Vorbildfunktion solcher Entwicklungen kaum wahrnehmen. Das macht sich z.B. im schwierigen Zugang zu Kulturförderungen bemerkbar usw. usf.  

Chancengleichheit in Deutschland für alle? Nicht wirklich gegeben.

Dieses Gespräch mit Fatih Akin weist auf eine Zukunft der Arbeit hin, die im bürgerlichen Duktus leider gar nicht wahrgenommen wird: Das Aufkommen eines eigenen, ökonomischen Kosmos in einer großen Nische, die sicherlich auch viele problematische Facetten aufweist, aber nicht mehr wegzudiskutieren ist. Die Hip-Hop- und Rap-Szene hat ihre Wertschöpfungsketten etabliert und bietet vielen jüngeren Menschen in Deutschland eine Heimat. Es ist ein aktiver Teil der deutschen Kultur, ob man das wahrhaben will oder nicht. (In den USA ist man da in Teilen schon weiter – ich hatte hier darüber berichtet.)

Wollen wir diese Menschen, aber auch die Kinder zukünftiger Einwander*innen als eine demokratische Gesellschaft willkommen heißen und deren Kompetenz in die Arbeitswelt integrieren, müssen wir uns weiter öffnen. Die Fachkräftesicherung wird aktuell angepasst, sodass qualifizierte Fachkräfte zukünftig arbeiten dürfen, während sie parallel ihren Abschluss hier nachholen. Aber auch dieser weitere Fokus auf die benötigten Zertifikate ist vermutlich zu sperrig und zu wenig zukunftsorientiert. Wir benötigen agilere Verfahren und weniger Arroganz, die beruflichen Erfahrungen und Ausbildungen in anderen Ländern weniger anzuerkennen. 

In Kürze: Eine Dokumentation, die zum Nachdenken anregt.


Artikel am 29. Oktober 2022 erschienen auf piqd als Hinweis auf den ZDF-Germania-Doku Regisseur Fatih Akin: “Der Xatar-Film war total wichtig für mich”